Füllhorn der Gartenlyrik


Genüsslich im Stuhl zurückgelehnt:
Ich hab’ mich schon lange nach Ruhe gesehnt.

Heut nehme ich sie besonders wahr,
seit Jahrzehnten schon steht sie mächtig da:
Eine Ulme, ein großer, mächtiger Baum,
Zwei Leute umfassen den Stamm ja kaum.
Der Wind streicht leicht durch die Wipfelregion,
die Sonne strahlt nun flacher schon.
Heut ist sie dem Mensch und dem Baume hold:
Sie verbreitet Wärme und pures Gold.
Die Rinde, die Zweige, sie leuchten matt,
die Blätter jetzt golden und glänzen satt.

Es ist nun unvorstellbar schön,
den Baum in der sinkenden Sonne zu seh’n.
Auf einmal ein Pfiff, was ist denn das?
Ich richte mich auf und höre was.
Ich höre ein Pfeifen, ein Weinen laut.
Hab ich da richtig hingeschaut?
Denn dort in der Krone aus purem Gold
wird ein Bettchen aus der Ecke gerollt.
Ein Kind liegt drin und schreit jämmerlich,
und schließlich doch erwärme ich mich.
Ich rede freundlich auf es ein,
mir fällt schließlich noch ein Liedchen ein.
Das Kind wird ruhig, es schläft ein,
- irgendwo wird doch die Mutter sein –
Sie kommt nicht, doch es erscheint ein Mann,
von dem man wirklich sagen kann,
dass die Erscheinung mich nicht überzeugt,
er läuft sehr vornüber gebeugt,
Doch er sagt mir gleich, er weiß Bescheid,
die Mutter des Kinds ist nicht mehr weit.

Es ist wichtig, sie muss noch etwas bringen.
Ich könnte doch noch ein Liedchen singen.
Was diese Frau für das Kind nur holt
hier oben in der Krone aus Gold?
Das Kind fängt wieder zu weinen an.
Jetzt bin ich wieder mit Singen dran.
Der Mann hat sich nun wieder getrollt.
Da kommt die Mutter mit Brocken aus Gold.

Was soll das gut für das Baby sein?
Ich stelle sofort mein Singen ein.
Was soll das hier, will ich schnell fragen
- ich sehe noch mehr aus der Tasche ragen –
Ich schiele ein wenig nach dem Gold,
da kommt auch schon so ein Brocken gerollt
Ich fühle mich glücklich, was ist nur los,
schließlich liegt mir der Brocken im Schoß.

Nun wird es hektisch, ich fahre hoch,
wo ist das Gold, wo war es nun doch?
Ich steh’ vor dem Stuhl, der ist verwaist,
die Sonne ist längst nach Westen verreist.
Die Ulme ist finster, das Gold ist fort,
man fröstelt leicht an diesem Ort.
Ich reibe die Augen und finde bald:
Kindchen wie Gold verschwand hinten im Wald.


Friedhelm Haun, 2011